Regierungsvorhaben zur Lebensmittelverschwendung
Das Thema Lebensmittelwertschätzung ist uns eine Herzens-Angelegenheit. Eigentlich sind wir der Meinung jeder ist für einen respektvollen Umgang mit Lebensmitteln und gegen die Verschwendung dieser. Leider entsteht trotzdem viel zu oft der Eindruck, es wird zu wenig getan, um die Lebensmittelverschwendung in Deutschland zu vermeiden und dass das große allgemeine Umdenken noch nicht stattgefunden hat. Aber woran liegt es, dass immer noch zu viele genießbare Lebensmittel im Container landen, Forderungen wie ein "Essen-Retten-Gesetz" noch auf sich warten lassen und Cotainern weiterhin illegal ist?
In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie die Politik zum Thema Lebensmittelverschwendung steht, was sie schon getan hat und was sie noch tun möchte.
Was sind die Regierungsvorhaben zur Lebensmittelverschwendung
Sehen wir uns dazu mal die Aussagen der großen Parteien an, die sie zum Thema Lebensmittelverschwendung auf ihren Webseiten veröffentlichen.
Das sagt die SPD zum Thema Lebensmittelverschwendung
Im Parteiprogramm schreibt die SPD davon, dass den Produzenten und dem Handel untersagt werden soll, genießbare Nahrungsmittel wegzuwerfen, um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen.
Im Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion „Lebensmittelverschwendung auf allen Ebenen bekämpfen“ vom Mai 2020 stellte die Partei bereits diverse Forderungen zu dem Thema, die nun in der Koalition beraten werden sollen.
Ziel sei es, Lebensmittelabfälle bis 2025 um 30 % und bis 2030 um 50 % zu reduzieren, wie in den EU-Abfallrahmenrichtlinien vorgesehen. In Anlehnung an das französische Gesetz "Loi Garot" von 2016 solle Lebensmittelproduzenten und Lebensmittelhändlern ab einer bestimmten Größe verboten werden, noch genießbare Lebensmittel wegzuwerfen oder sie absichtlich unbrauchbar zu machen. Stattdessen sollen sie verpflichtet werden, diese Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen wie die Tafel weiterzugeben.
Die Tafeln wiederum sollen dabei von der Regierung unterstützt werden, sodass sie haftungsrechtlich, personell und finanziell dafür gerüstet sind, so viele Lebensmittel an Bedürftige zu verteilen.
Damit Lebensmittelüberschüsse vermieden bzw. optimal weitergegeben werden können, soll eine Plattform geschaffen werden, die die Produzenten, Händler, Gastronomien etc. mit den gemeinnützigen Organisationen und Tafeln vernetzt.
Ein weiterer Punkt ist, dass Qualitätsstandards in der Vermarktung der Lebensmittel abgebaut werden sollen, die der Umwelt und dem Klima schaden. Damit ist wohl zum Beispiel gemeint, dass krummes Gemüse und Obst, oder welches anderweitig nicht dem „Schönheitsideal“ entspricht, dennoch verkauft werden kann.
Im Positionspapier wird außerdem aufgeführt, dass die Regelungen zum Mindesthaltbarkeitsdatum EU-weit überarbeitet werden sollen. Im Hinblick auf die Lebensmittelverschwendung in privaten Haushalten soll Kindern und Schülern Lebensmittelwertschätzung und Verbraucherbildung vermittelt werden.
Das sagen die Grünen zum Thema Lebensmittelverschwendung
Die Grünen fordern auf ihrer Webseite, dass die Qualität anstelle der Quantität bei der Lebensmittelproduktion gefördert werden soll. Dabei sollen die regionalen Vermarktungsstrukturen gestärkt werden.
Es sollen verbindliche Ziele eingeführt werden, die Lebensmittelproduktion und den Ankauf im Lebensmittelhandel zu reduzieren.
All Forderungen sollen in einem „Rettet-die-Lebensmittel-Gesetz“ auf den Weg gebracht werden, um die Lebensmittelverschwendung bis 2030 um 50 % reduzieren zu können.
Die Lebensmittelwirtschaft und große Supermärkte sollen dazu verpflichtet werden, Lebensmittel kostenlos zur Verfügung zu stellen, die bald abgelaufen sind. Die Lebensmittelspenden an gemeinnützige Organisationen sollen dabei erleichtert werden, „indem klargestellt wird, dass dafür keine Steuern anfallen“. (Einschub: Laut der Bundesregierung unterliegen die Lebensmittelspenden als sogenannte „unentgeltliche Wertabgabe“ der Umsatzsteuer. „Ein genereller Verzicht auf die Umsatzbesteuerung von Sachspenden würde im Ergebnis auf eine Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug hinauslaufen und wäre daher systemwidrig.“)
Des Weiteren fordern die Grünen, dass Handels- und Qualitätsnormen „zum Beispiel für „zu kleine“ Äpfel“ überprüft werden und Containern (das Retten von Lebensmitteln aus dem Müll) straffrei werden soll.
Das sagt die FDP zum Thema Lebensmittelverschwendung
Im Wahlprogramm 2021 der FDP fand man zum Thema Lebensmittelverschwendung folgende Forderungen:
- Frühzeitige Ernährungsbildung in Kindertagesstätten und Schulen
- Mindesthaltbarkeitsdatum durch ein dynamisches Verderbslimit ersetzen
- Intelligente Verpackungen
- Haftungserleichterung für Lebensmittelspenden
Der niedersächsische Landtag der FDP stellte bereits 2020 einen Antrag „Aktiv gegen Lebensmittelverschwendung“.
Es sollen bestehende Läden und Start-Ups gefördert werden, welche bewusst, abgelaufene und aussortierte Lebensmittel verkaufen. Das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz solle Alternativen zum Mindesthaltbarkeitsdatum aufzeigen und es sollen Anreize wie ein Gütesiegel für Unternehmen geschaffen werden, die besonders wenig Lebensmittel wegwerfen.
Das sagt die CDU/CSU zum Thema Lebensmittelverschwendung
Im Programm 2021 „Das Programm für Stabilität und Erneuerung. Gemeinsam für ein modernes Deutschland.“ spricht sich die CDU/CSU für folgende Punkte aus, um die Lebensmittelverschwendung zu bekämpfen:
- Die Halbierung bzw. deutliche Reduzierung der Lebensmittelverschwendung bis 2030 ist das Ziel.
- Die „Nationale Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung“ soll weiter verfolgt werden und junge Menschen dafür sensibilisieren
- Lebensmittelspenden an soziale Organisationen wie die Tafel sollen vereinfacht werden
- Es soll geprüft werden, ob das Mindeshaltbarkeitsdatum angepasst werden soll
- Digitale Hilfsmittel wie z. B. Verpackungslösungen oder Genießbarkeits-Anzeige etc. sollen entwickelt werden.
Laut Albert Stegmann (ernährungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) sei ein Gesetz wie "Loi Garot" in Frankreich für Deutschland nicht sinnvoll, da in Deutschland der Anteil der Lebensmittelabfälle im Handel deutlich geringer sei als in Frankreich und die Lebensmittelspenden heute schon deutlich höher.
Stattdessen sei die Stärkung der Ernährungsbildung in allen Altersgruppen wichtig, um mehr Lebensmittelwertschätzung zu vermitteln und Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten zu reduzieren.
Junge Menschen sollen außerdem durch zielgruppengerechtes Agrarmarketing für regionale und saisonale Nahrung begeistert werden.
Mit innovativen Initiativen und digitalen Anwendungen sollen übrig gebliebene Lebensmittel besser an Nachbarn oder gemeinnützige Organisationen weiterverteilt werden. Die Entwicklung intelligenter Verpackungen, welche anzeigen sollen, wie lange ein Lebensmittel noch haltbar ist, werde vom Bund bereits mit 3,5 Millionen Euro gefördert. Auch die CDU/CSU ist dabei der Meinung, dass die Mindesthaltbarkeitsdatum-Regelungen überprüft werden sollten.
Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP von 2021
Da die regierenden Parteien in einem Koalitionsvertrag alle Themen kurz und bündig unterbringen wollen, die sie sich für die Legislatur an die Fahne schreiben wollen, klingen die Vorhaben zum Thema Lebensmittelverschwendung komprimiert dort so:
„Wir werden gemeinsam mit allen Beteiligten die Lebensmittelverschwendung verbindlich branchenspezifisch reduzieren, haftungsrechtliche Fragen klären und steuerrechtliche Erleichterung für Spenden ermöglichen.“
Direkt-Infos aus dem Bundestag über Lebensmittelverschwendung
Wenn du Interesse hast, auf dem Laufenden zu bleiben, was zum Thema Lebensmittelverschwendung im Bundestag besprochen, beschlossen und woran gearbeitet wird, geht das auch ohne Umwege über die Webseite des Bundestags www.bundestag.de. Gib dann bei der Such-Funktion einfach das Schlagwort „Lebensmittelverschwendung“ ein.
Journalisten, die über das Thema berichten, haben den Auftrag, die Essenz der Aussage zu vermitteln. Auch wenn unser Artikel recht lang ist, mussten wir natürlich filtern, um den Rahmen nicht zu sprengen. Das ist auch gut und wichtig so, denn nur die Wenigsten haben die Zeit sich stapelweise ausführliche und hochgestochen formulierte Berichte durchzulesen. Wenn du allerdings tiefer in das Thema einsteigen möchtest und die Zeit und Lust hast, empfehlen wir dir, die ausführlichen Infos in den Quellen nachzulesen.
So sind z. B. die Antworten der Bundesregierung auf Fragen des Bundestags zum Thema Lebensmittelverschwendung hoch interessant! Oder die Protokolle zu Beschlussentscheidungen. (Wir haben dir die Dokumente 2019-2022 unten dem Datum nach verlinkt.) Diejenigen, die wir besonders informativ fanden, haben wir fett hinterlegt.
Weitere offizielle Infoseiten zum Thema Lebensmittelverschwendung
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaf:
https://www.bmel.de
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
www.bvl.bund.de
Zu gut für die Tonne!:
https://www.zugutfuerdietonne.de/
Deutsche Welthungerhilfe e. V.:
https://www.welthungerhilfe.de
Deutsche Umwelthilfe e. V.:
https://www.duh.de
Fazit: Tut die Regierung etwas gegen Lebensmittelverschwendung?
Ja, die Politik in Deutschland beschäftigt sich mit dem Thema Lebensmittelverschwendung und hat inzwischen zum Beispiel mit Aktionen wie „Zu gut für die Tonne“ zur Aufklärung und Ernährungsbildung beigetragen.
Ein anderes Beispiel ist die Aktionswoche „Deutschland Rettet Lebensmittel“, welche vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft betrieben wird. Dort werden Aktionsideen aus allen Bundesländern und Sektoren der Lebensmittelversorgungskette vorgestellt.
Besonders innovative Projekte und Ideen, die zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung beitragen, werden mit dem „Zu gut für die Tonne! – Bundespreis“ ausgezeichnet und gefördert.
Klar, durch die Vielzahl an Themen, um die sich unser Bundestag kümmern muss und die bürokratische Funktionsweise unserer Demokratie dauert es, bis tiefgreifende Veränderungen umgesetzt werden können. Bei manchen Themen wie dem Klimawandel und seiner Schwester der Lebensmittelverschwendung ist das Zeitfenster, in dem Veränderungen noch rechtzeitig eine Wende einleiten können, inzwischen allerdings extrem begrenzt.
Deswegen ist es wichtig, dass unsere Politiker diese existenziell wichtigen Themen mit höchster Priorität behandelt. Die Auseinandersetzung damit in den Wahlkampagnen, im Koalitionsvertrag, bei Bundestagssitzungen etc., zeigt, dass die Brisanz bereits erkannt wurde. Die verschiedenen Kampagnen setzen ein Zeichen, dass mit dem Umdenken und Handeln begonnen wurde. Das macht Hoffnung!
Das Tempo und die Effizienz der Bemühungen müssen nun dennoch dringend weiter angezogen werden – auch auf internationaler Ebene!
Dafür ist es sehr wichtig, dass die Bevölkerung sich starkmacht für das Thema. Das bedeutet, dass wir den Politikern weiterhin vermitteln, welch hohe Priorität es für uns hat. Natürlich müssen die Maßnahmen, mit denen man sich aktiv an der Demokratie beteiligt, dabei mit Bedacht gewählt werden, um nicht kontraproduktiv zu sein.
Essenziell ist es, den Verantwortungs-Anteil *auch* bei sich selbst zu entdecken, mit gutem Beispiel voranzugehen und seinen Mitmenschen einen möglichen Weg zu weisen. "Möglich", weil viele Wege und Lösungen zur Wertschätzung von Lebensmitteln und Umwelt führen können.
Deswegen sind unsere Politiker, genauso wie jeder Einzelne von uns gefragt, auf seine Art dazu effektiv beizutragen. Nur gemeinsam – nur mit DIR – können wir es schaffen!
picture by Maheshkumar Painam (https://unsplash.com/@maheshkumar_painam)